Gigaset GX290: Martialisch und doch schick
Stefan schrieb schon während seines Studiums für ein kleines Printmagazin im Ruhrpott Spieletests und kam durch glückliche Fügung nach Berlin. Dort arbeitete er anfangs als Redakteur, später als leitender Testredakteur fast 15 Jahre bei Areamobile. Für Heise Bestenlisten testete er bis 2025 auch Saug- und Mähroboter, Lautsprecher, Modellflugzeuge sowie allerhand andere technische Spielereien.
Das Gigaset GX290 will mit Riesenakku und kabellosem Laden punkten, ohne dabei die Kernkompetenzen eines Outdoorsmartphones zu vernachlässigen. Wir haben getestet, ob das gelingt.
Outdoorsmartphones gibt es viele, oftmals sind die aber mehr Schein als Sein. Entweder sehen sie martialisch aus, lassen dann aber wichtige Eigenschaften wie einen kräftigen Akku vermissen. Oder sie sind technisch so schwach aufgestellt, dass selbst mehrere Jahre alte „normale“ Smartphones mehr leisten. Gut – technisch ist das Gigaset GX290 eher Mittelklasse, der Akku hingegen ist ein echtes Highlight: Er leistet 6200 mAh und lässt sich sogar kabellos laden!
Wir testen das GX290 im Rahmen unserer Themenwelt rund um Outdoor-Smartphones:
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Outdoorsmartphones müssen martialisch aussehen! Das macht das Gigaset GX290 schon mal richtig. Denn der große Touchscreen auf der Front wird von breiten Rändern und – noch viel wichtiger – einem ausladenden Gehäuse eingerahmt. Das soll die Schwachstelle eines jeden Smartphones, nämlich das Display, auch bei Stürzen schützen. Der Hersteller verspricht durch die Verwendung eines Zweikomponenten-Spritzgussgehäuses aus TPU (Thermoplastisches Polyurethan) und Metallrahmen, dass das Outdoorsmartphone Stürze aus 1,2 Metern auf Stahl unbeschadet übersteht. Zudem ist das Gerät nach IP68 gegen Wasser und Staub gesichert. Tauchbäder von bis zu 30 Minuten in bis zu 1,2 Meter tiefem Wasser sollen daher kein Problem sein.
Auf das Display des GX290 ist offensichtlich ab Werk eine Schutzfolie aufgebracht. Bei unserem Testgerät konnte man das deutlich sehen, denn um eine kleine Aussparung um Sensoren und die Notch des Screens zeichneten sich deutliche Lufteinschlüsse ab. Das sieht nicht gerade sehr hochwertig aus und könnte den ein- oder anderen Nutzer dazu verleiten, die Folie und ihre Schutzwirkung ganz zu entfernen. Dann bleibt nur Gorilla Glas 3 gegen Kratzer, aktuell ist Gorilla Glas 5 in vielen Smartphones zu finden. Die restliche Verarbeitung ist hingegen makellos. Beide seitlichen Tasten sitzen stabil und fest in den geschraubten Seitenteilen des Gehäuses, der Rest, darunter für bessere Schutzwirkung die vier Ecken und die komplette Rückseite des Gehäuses, bestehen aus TPU. Das ist bei unserem Testgerät mattschwarz mit orangenen Akzenten und sieht durchaus ansprechend aus. 3,5-Millimeter- und USB-C-Anschluss auf der Fußseite des Smartphones werden von einer Schutzkappe verschlossen. Das ist gut gegen Flüssigkeiten und Dreck, nervt aber beim Laden per Kabel.
Insgesamt wirkt das Outdoorsmartphone ansprechend und ausreichend hochwertig. Mit knapp über 15 Millimeter Bauhöhe und fast 280 Gramm ist das Gigaset GX290 ein echter Klopper – wie es sich eben für ein Outdoorsmartphone gehört.
Das IPS-LCD misst stolze 6,1 Zoll, bietet aber nur eine Auflösung von 1560 × 720 Pixel. Das entspricht einer Pixeldichte von 283 PPI. Dennoch sind einzelne Bildpunkte oder Treppchenbildung an Grafikkanten nur bei genauem Hinsehen zu erkennen. Dafür besticht der Screen mit hoher gemessener Helligkeit von über 470 cd/m², ordentlichen Farben und Kontrasten sowie guter Blickwinkelstabilität.
Einige wenige Anpassungsmöglichkeiten etwa für die Farbintensität gibt es zwar, ein Always-on-Displays fehlt hingegen. Unser Testgerät wies anfangs eine ziemlich rutschhemmende Beschichtung auf, die aber nach wenig Gebrauch verschwand und anschließend bequeme und zielgenaue Touchscreen-Eingaben erlaubte.
Die Kameras stehen bei den meisten Anbietern von Outdoorsmartphones offenbar nicht sehr weit oben auf der Prioritätenliste. Auch das Gigaset GX290 macht da keine Ausnahme. Zwar bietet das Gerät immerhin eine Dualkamera, die Hauptlinse hat aber mit 13 Megapixel keine übermäßig hohe Auflösung und die zweite Linse mit 2 Megapixel ist ausschließlich für künstliches Bokeh zuständig. Für Selfies steht eine Frontcam mit 8 Megapixel zur Verfügung. Immerhin: Für die Hauptkamera verwendet Gigaset einen Sensor von Sony, das lässt auf ordentliche Qualität hoffen.
Zu viel sollten Nutzer des Gigaset-Mittelklasse-Smartphones aber nicht erwarten. Licht ist im Vergleich zu vielen anderen Smartphones auf dem Markt nicht das Problem, das sind eher nicht übermäßig ausgeprägte Bildschärfe und entsprechend eher schwache Detaildarstellung. Feine Strukturen wie Laub an Bäumen verschwimmt schon bei recht naher Distanz zu einem Pixelmeer, der selbst in der Vollbilddarstellung als mangelnde Schärfe erkennbar ist. Die Bilddynamik geht in Ordnung, auch wenn Aufnahmen insgesamt etwas düster ausfallen. Abhilfe schafft hier der manuelle HDR-Modus, der ansonsten aber qualitativ nicht besser ist.
Positiv hervorzuheben ist die ausreichende Fotoqualität bei wenig Licht. Zwar tritt zunehmend auch beim GX290 Bildrauschen in den Vordergrund und die Bildschärfe lässt weiter nach, das machen aber viele günstige Smartphones schlechter. Selfies sind in Ordnung, die Bilddynamik lässt hier aber je nach Situation etwas zu wünschen übrig und die Bildschärfe bewegt sich auch eher im Mittelfeld. Videos mit der Hauptkamera sind nur in maximal Full-HD möglich, entsprechend ist die Darstellungsqualität mäßig. Hinzu kommt eine bestenfalls als ineffektiv zu bezeichnende Bildstabilisierung, sodass Nutzer die Videofunktion am besten gleich ignorieren sollten.
Als Antrieb steckt im GX290 kein Qualcomm-, sondern ein Mediatek-Chipsatz. Der Helio P23 mit acht Kernen und bis zu 2 GHz Taktfrequenz ist ein Modell der unteren Mittelklasse, auch die nur 3 GByte RAM des Smartphones machen deutlich, dass sich die Hardware nicht an Benchmark-Junkies richtet. Entsprechend fallen die Ergebnisse solcher Testprogramme eher mau aus: Kaum mehr als 83.000 Punkte in Antutu sind von den Einträgen der Spitzengeräten wie Xiaomi Mi 9 (Testbericht) oder Samsung Galaxy Note 10+ (Testbericht) weit entfernt.
Im Alltag ist das nicht weiter dramatisch, denn dank des verwendeten Pure Android 9.0 Pie läuft alles schnell und direkt, nur gelegentlich sind kurze Hakler zu beobachten. Die vergleichsweise schwache Leistung des Chips macht sich vor allem bei Ladezeiten bemerkbar. Große Apps brauchen hier deutlich länger als auf Smartphones mit Spitzenchipsatz. Wer also lediglich WhatsApp nutzt, Videos schaut oder im Internet surft, macht mit dem Gigaset-Smartphone nichts falsch. Auch bei Spielen muckt der Chipsatz nicht, selbst halbwegs aufwändige Spiele wie Asphalt 9 laufen flüssig und machen Spaß – eben bis auf die Ladezeiten. Bei typische Handyspielen wie Angry Birds und Co. fällt das kaum auf.
Einschränkungen gibt es bestenfalls wegen des recht kleinen Speichers. Denn der Hersteller ist nicht nur beim Arbeitsspeicher knausrig, auch der interne Speicher fällt mit 32 GByte reichlich klein aus. Zum Glück fasst das GX290 Micro-SD-Karten bis 512 GByte, um eine entsprechende Anschaffung dürften die wenigsten Nutzer herumkommen. Ansonsten steht alles an Technik zur Verfügung, was derzeit nötig und möglich ist – wenn auch nicht immer in der besten Variante. So sind die Standards wie WLAN, Bluetooth und LTE zwar vorhanden, WLAN ist aber auf den n-Standard beschränkt und LTE schafft auf dem Gigaset GX290 nur Cat.6, also bis zu 300 Mbit/s im Download und bis zu 50 Mbit/s im Upload.
Dafür gibt es NFC, ein UKW-Radio und einen 3,5-Millimeter-Anschluss für Kopfhörer. Der USB-C-Anschluss ist auf 2.0-Geschwindigkeit begrenzt, das Smartphones schluckt dafür auf Wunsch eine zweite SIM-Karte. Der Fingerabdrucksensor auf der Rückseite arbeitet schnell und ausreichend zuverlässig und verfügt zudem über Zusatzfunktionen. So können Nutzer mit seiner Hilfe Anrufe annehmen, die Kamera öffnen, Fotos auslösen und im Browser scrollen sowie auf den Homescreens navigieren.
Das Highlight des Gigaset GX290 ist der Akku. Denn der leistet nicht nur satte 6200 mAh und verspricht daher lange Laufzeiten des Smartphones, sondern er lässt sich auch kabellos laden. Zumindest letzteres überrascht, denn einerseits geht es hier um ein Mittelklasse-Smartphone, andererseits um ein Outdoorsmartphone – beides spricht eigentlich nicht für induktives Laden mittels Qi-Standard. Vielleicht ist es aber gerade bei so einem Gerät sinnvoll, immerhin sparen sich Nutzer das fummelige Öffnen der Verschlusskappe des USB-Anschlusses. Natürlich dauert kabelloses Laden trotz 15-Watt-Technik länger als per Kabel. Für letzteres sollten Nutzer wegen des großen Akkus etwa 3 Stunden einplanen.
Das Durchhaltevermögen des Gigaset GX290 ist enorm. Wir haben das wie immer mit dem Battery Test von PCmark überprüft, in dem die meisten Smartphones zwischen acht und bestenfalls 12 Stunden durchhalten. Das Testprogramm simuliert dabei Alltagssituation auf einem modernen Smartphone, die Bereiche wie Webbrowsing oder Videobearbeitung abdecken. In diesem recht realitätsnahen Testablauf hielt das Outdoorsmartphone satte 16:40 Stunden durch – das ist ein Spitzenwert. Er passt zu dem Eindruck, den wir uns im Testverlauf von der Ausdauer des Gigaset-Outdorsmartphones verschaffen konnten. Je nach Nutzungsverhalten sollten Ladeintervalle von drei- bis nur einmal pro Woche möglich sein. Das ist herausragend.
Das Gigaset GX290 gibt es derzeit nur im Farbton Titanium Grey, bei dem es sich tatsächlich eher um Anthrazit oder Schwarz handelt. Ausstattungsvarianten gibt es nicht, zum Testzeitpunkt kostet das Outdoorsmartphone ab 280 Euro.
Das Gigaset GX290 ist alles andere als ein Blender. Klar, andere Outdoorsmartphones protzen mit mehr Widerstandsfähigkeit nach Militärstandard oder noch besserer Wasserresistenz. In diesem Bereich biete Gigaset vielleicht nur ordentliches Mittelmaß, doch im Gegensatz zu vielen Konkurrenzprodukten enttäuscht das Gerät in den anderen für ein Smartphone wichtigen Disziplinen nicht. Das Display ist trotz der vermeintlich niedrigen Auflösung richtig ordentlich, die Kamera reicht zumindest für gelegentliche Schnappschüsse und im Alltag langt die Leistung des Systems für flüssige Nutzung. Selbst etwas Gaming zwischendurch verrichtet das Smartphone klaglos.
Absolutes Highlight ist aber zweifellos der Akku, der im Test nicht nur extreme Ausdauer bewiesen hat, sondern darüber hinaus sogar kabellos ladbar ist. Endlich mal wieder ein Outdoorsmartphone, dem nicht schon nach einem Tag die Puste ausgeht! Schade ist die etwas spärliche Speicherausstattung, davon abgesehen ist das GX290 für den Einsatz unter harten Bedingungen eine gute Wahl.
Interessante Alternativen zum Gigaset-Outdoorsmartphone sind das günstige Cubot King Kong (Testbericht) , das Crosscall Trekker X4 (Testbericht) will mit (Kamera)Mods punkten und das CAT S61 (Testbericht) ist ein teurer, aber mit Technik vollgestopfter Alleskönner.