Nokia 1.3 im Test: Günstiges Smartphone für Minimalisten
Stefan schrieb schon während seines Studiums für ein kleines Printmagazin im Ruhrpott Spieletests und kam durch glückliche Fügung nach Berlin. Dort arbeitete er anfangs als Redakteur, später als leitender Testredakteur fast 15 Jahre bei Areamobile. Für Heise Bestenlisten testete er bis 2025 auch Saug- und Mähroboter, Lautsprecher, Modellflugzeuge sowie allerhand andere technische Spielereien.
„So viel mehr“ verspricht Hersteller HMD Global für das Nokia 1.3 – ist das nicht etwas vollmundig für ein 100-Euro-Smartphone? TechStage macht den Test.
Das Nokia 1.3 will „so viel mehr“ bieten, zumindest ist das auf der Internetseite des Herstellers zum Gerät zu lesen. Dabei kostet das Gerät gerade einmal 109 Euro in der UVP. Dass dabei Kompromisse eingegangen werden müssen, sollte jedem Interessenten klar sein. Leider gibt es beim Nokia-Billigheimer nicht nur ein paar, sondern eine ganze Menge Einschränkungen.
Für 100 Euro sollten Kaufinteressenten grundsätzlich nicht viel von einem Smartphone erwarten, beim Thema Design und Wertigkeit ist das nicht anders. Wer hier nach Glasrückseite und Alurahmen schielt, hat schlichtweg falsche Preisvorstellungen. Allerdings sind die Zeiten von hässlichen Plastikbombern wie aus einem Kaugummiautomaten auch in der unteren Einsteigerklasse längst vorbei. Entsprechend kommt das Nokia 1.3 zwar im Voll-Kunststoff-Gewand, wirkt aber nicht unbedingt billig.
Die Front punktet mit Tropfen-Notch und entsprechend relativ modernem Design, eingeschränkt wird dieser gute Eindruck durch breite Ränder rings um den Screen und einen breiten Balken unterhalb des Bildschirmes. Die Rückseite weist eine geriffelte Oberfläche auf, durch sanfte Rundungen und eine mit knapp unter 10 Millimeter für den Preis ausreichende Bautiefe liegt das recht kompakte Nokia 1.3 angenehm in der Hand. Von „atemberaubendem Finish“ wie auf der Website des Herstellers zu lesen, ist das Nokia 1.3 allerdings meilenweit entfernt. Auffällig ist das vergleichsweise hohe Gewicht von 155 Gramm, das sich allerdings eher positiv auf den Wertigkeitseindruck auswirkt.
Highlight des Smartphones ist abgesehen vom dedizierten Assistant-Button auf der linken Geräteseite die Möglichkeit, die Rückschale mit einem Handgriff zu entfernen und so Zugriff auf die beiden SIM-Schächte und den zusätzlichen Mikro-SD-Slot sowie den wechselbaren Akku zu erlangen. Mangels Ansatzpunkt für die Finger bleibt Nutzern dafür allerdings nur die Öffnung für den USB-Port. Entsprechend ist der ganze Öffnungsvorgang mehr oder weniger kraftraubend und unpraktisch. Wer sich bei dem fest sitzenden und schwer zu greifenden Rückteil nicht die Finger bricht, sollte über eine Karriere als Origami-Falter nachdenken. Schade, das passt nicht so recht zur restlichen Verarbeitungsqualität, die durchaus ordentlich ausfällt.
5,7 Zoll misst der Touchscreen des Nokia 1.3, darauf verteilen sich 1520 x 720 Pixel. Auch wenn diese HD+-Auflösung mit knapp unter 300 Pixel pro Zoll nicht gerade übermäßig scharf ist und Nutzer mit guten Augen durchaus einzelne Bildpunkte erkennen können, schlägt sich der Screen im Alltag insgesamt ordentlich. Anteil daran haben die ausreichende Helligkeit von knapp 400 cd/m² und die gute Blickwinkelstabilität, die nur wenig Farbveränderung selbst bei flachen Winkeln zulässt. Kontrast und Farbintensität gehen in Ordnung, könnten aber ruhig etwas stärker ausgeprägt sein. Insgesamt liefert das Display des Nokia 1.3 dem Preis sehr angemessene Leistung. Mehr Informationen zu Display-Größen und Alternativen zeigen wir in unserem Artikel zu Smartphone-Bildschirmen .
Während Materialwahl, Verarbeitung, Bildschirm und Leistung bei Einsteiger-Smartphones in den letzten Jahren starke Qualitätssprünge gemacht haben, ist das Thema Kamera nach wie vor das Erkennungsmerkmal günstiger Smartphones – leider nicht im positiven Sinne. Das ist beim Nokia 1.3 nicht anders.
Zwar bewirbt Hersteller und Lizenznehmer des Nokia-Labels, HMD Global, die einzelne 8-Megapixel-Kamera auf der Rückseite mit „KI-Bildbearbeitung bei schlechten Lichtverhältnissen“, tatsächlich handelt es sich dabei letztendlich nur um ein Hochziehen der ISO-Werte. Das führt neben schlechter Bildschärfe in entsprechenden Situationen in erster Linie zu starkem Bildrauschen. Bei schlechtem Licht sollten Nutzer des Nokia 1.3 das Smartphone lieber gleich in der Tasche lassen.
Leider kann das Billig-Smartphone auch bei Tageslichtaufnahmen nicht wirklich überzeugen. Bildschärfe und Detailgrad fallen eher zweckdienlich aus, Bilddynamik und Bildrauschen können ebenfalls nicht überzeugen. Das gilt auch für Selfies. Für mehr als gelegentliche Facebook-Update-Posts reichen beide Kameras einfach nicht, erst recht nicht nachts – obwohl Nokia Schnappschüsse nach Sonnenuntergang als „kein Problem“ bezeichnet und mit dem Nokia 1.3 die Nacht erleuchten will. Da war offenbar die Werbeabteilung eifriger als die Entwicklungsabteilung.
Beim Einsteiger-Chipsatz Qualcomm Snapdragon 215 und 1 GByte RAM von „leistungsstark“ zu sprechen, ist ebenfalls bestenfalls gewagt. Dennoch lässt es sich HMD Global auch beim Thema Ausstattung nicht nehmen, wieder kräftig auf die Werbetrommel zu dreschen. Wie schon zuvor geht das ziemlich in die Hose, denn trotz Android Go in Version 10, das Google extra für schwach ausgestattete Smartphones abgespeckt hat, genehmigt sich das Nokia 1.3 immer wieder Gedenksekunden. Öffnen von Apps? Langsam. Scrolling im Browser? Hakelig, bis endlich nach einer gefühlten Ewigkeit alles im Speicher ist. Spiele? Lieber gleich vergessen, sofern es nicht ganz einfache Games sind. Damit wird das Einsteigermodell zwar nicht gleich unzumutbar, aber Interessenten sollten etwas mehr Geduld bei der Nutzung mitbringen.
Auch bei der restlichen Hardware hat HMD Global gespart – logisch, irgendwoher muss der Preis ja kommen. So gibt es nur 16 GByte internen Speicher, der zum Glück erweiterbar ist und die WLAN-Standards ac oder ax (Wifi 6) suchen Interessenten vergeblich. Das gilt auch für einen (fehlenden) NFC-Chip und Bluetooth ist mit Version 4.2 auch nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ein Fingerabdrucksensor fehlt ebenfalls, dafür gibt es immerhin einen 3,5-Millimeter-Anschluss und ein UKW-Radio. Mangels beigelegtem Headsets kann das aber nicht direkt out of the Box verwendet werden. Der Lautsprecher auf der Rückseite ist nicht übermäßig laut und klingt ziemlich blechern.
Positiv: HMD Global hat für das Nokia 1.3 bereits ein Update auf Android 11 Go versprochen – alles andere als normal bei Einsteigergeräten.
Der Akku des Nokia 1.3 ist wie eingangs erwähnt mehr oder weniger einfach auszutauschen. Was eigentlich ein Pluspunkt sein könnte, wird durch den Umstand, dass das aber fast auch schon nötig ist, leider wieder zunichtegemacht. Denn der 3000-mAh-Kraftspender des Nokia-Smartphones hielt im Battery Test von PCmark nicht einmal 7 Stunden Dauernutzung durch, das ist ein ziemlich schlechter Wert.
Wer das Nokia 1.3 also intensiv verwenden will, sollte lieber gleich über die Anschaffung eines Zweitakkus nachdenken. Und vorausplanen. Denn eine Akkuladung dauert mit dem beiliegenden 5-Watt-Netzteil locker über 3 Stunden – ganz wie 1995. Cool ist retro aber in diesem Falle nun wirklich nicht.
Mit 109 Euro ist die UVP des Nokia 1.3 ohnehin schon nicht hoch, der aktuelle Tagespreis lag zum Testzeitpunkt mit 106 Euro in deutschen Shops aber auch nicht deutlich darunter. An Farben stehen Schwarz, Beige und Türkis zur Verfügung, weitere Ausstattungsvarianten gibt es nicht.
Das Nokia 1.3 ist nur Nutzern mit besonders niedrigen Ansprüchen an ein Smartphone oder Menschen, die möglichst wenig Geld ausgeben wollen, zu empfehlen. Denn für den niedrigen Preis sind einfach zu viele Kompromisse nötig: Das Gerät ist zu langsam, die Kamera zu schlecht und der Akku zu schwach. Demgegenüber stehen zwar abgesehen vom Preis ein ausreichendes Display und ordentliche Handlichkeit bei guter Verarbeitung sowie ein Update-Versprechen auf Android 11 Go, aber auch in dieser niedrigen Preisklasse gibt es bessere Alternativen, die wir am Ende des Fazits nennen.
Eine derart harte Aussage mag einigen Lesern im Hinblick auf den niedrigen Preis des Smartphones ungerechtfertigt erscheinen. Im Gegensatz zu anderen Modellen in dieser Preisklasse, die oft ebenfalls eine für sich betrachtet eher unterdurchschnittliche Kamera aufweisen, haben wir das zwar bisweilen weniger hart bewertet, allerdings boten die meist insgesamt auch einfach mehr als das Nokia 1.3. Vorn liegt das Nokia-Modell nämlich nur bei vollmundigen Versprechungen. Daran muss sich das 1.3 dann auch messen lassen – und da versagt es in fast jedem Punkt.
Bessere Alternativen sind daher in unseren Augen Honor 8A, Xiaomi Redmi 8A oder Xiaomi Redmi 7A. Mehr interessante Smartphones gibt es in unserem Ratgeber: So viel Smartphone gibt es bis 100 Euro . Generell ist allerdings darüber nachzudenken, vielleicht doch ein paar Euro mehr zu investieren und dann länger etwas von der Anschaffung zu haben. Daher empfehlen wir noch eher einen Blick in unsere Top 10 der besten Smartphones bis 200 Euro .