HTC U12+ im Test: starke Dual-Kamera, schwacher Akku
Mit dem HTC U12+ bringt der Hersteller HTC ein Flaggschiff-Smartphone für 799 Euro auf den Markt. Es hat vier Kameras, ein berührungsempfindliches Gehäuse und läuft mit Android. Ob sich der Kauf lohnt, verrät der Testbericht.
Die Verpackung des Flaggschiff-Smartphones von HTC bleibt auch in diesem Jahr unverändert schlicht und umweltfreundlich. Auf der Rückseite sind einige Informationen zum U12+ abgedruckt, darunter die Leistung des Prozessors und die Größe des Speichers. Im Lieferumfang legt der Hersteller alles bei, was für die alltägliche Nutzung nötig und sinnvoll ist.
Eine besondere Begeisterung lösen die mitgelieferten Kopfhörer namens HTC U Sonic aus: Sie sind nicht nur hochwertig verarbeitet, sondern bieten auch die Funktion der aktiven Geräuschunterdrückung (ANC). Beim Hören von Musik erzeugen sie einen Antischall und blenden somit störende Umgebungsgeräusche aus. HTC gehört damit zu den ganz wenigen Herstellern, die hochwertige Kopfhörer dazulegen, während andere Smartphone-Macher nur minderwertige Kopfhörer aus hartem Kunststoff in den Karton packen oder ganz darauf verzichten – wie beispielsweise Google bei seinen aktuellen Geräten Pixel 2 und Pixel 2 XL (Testbericht) . Die gut klingenden U-Sonic-Hörer verbinden sich mittels USB Type-C mit dem Smartphone; einen analogen 3,5-mm-Klinkenanschluss hat das HTC U12+ nicht.
Das 1 m lange Ladekabel setzt ebenfalls auf USB-C. Dazu gibt es einen HTC Rapid Charger , dabei handelt es sich um ein Netzgerät mit Qualcomms Schnellladetechnik Quick Charge 3.0 . Die Ladedauer von 0 auf 100 Prozent beträgt durchschnittlich eine Stunde und 43 Minuten. Drahtloses Laden ist allerdings nicht integriert, wie es sich für ein Smartphone dieses Preisbereichs eigentlich gehört.
Neben kleinen Handbüchern für den Erststart ist außerdem noch eine Schutzhülle mit Klarsichtoptik im Lieferumfang. Leider ist die Hülle aus hartem Kunststoff gefertigt und wirkt nicht besonders edel. Trotzdem: Besser als nichts – und es schützt das teure Smartphone, bis man eine Hülle gefunden hat, die dem eigenen Geschmack entspricht.
Das HTC U12+ ist ein Premium-Smartphone, das aus hochwertigen Materialien besteht. Die Vorder- und Rückseite besteht aus widerstandsfähigem Corning Gorilla Glass. Ein Rahmen aus Metall verbindet beide Seiten miteinander und hält das Konstrukt stabil. Die Übergänge fließen ineinander und sind nahtlos, störende Spaltmaße gibt es nicht.
Auch das U12+ verkörpert HTCs Designsprache Liquid Surface . Steckt dahinter etwas Einzigartiges oder ist es ein weiterer Marketingbegriff? Sicherlich will man sich damit auch etwas von der Konkurrenz abheben, die ebenfalls Telefone in Alu-Glas-Kombination fertigt. Die Besonderheit bei HTC ist die spezielle Farbbehandlung des Glasrückens, der je nach Lichteinfall anders schimmert. Der Hersteller trägt auf das Glas verschiedene Schichten mit kontrastreichen Farben auf, die durch Reflexionen verschieden durchscheinen. Einen ähnlichen Effekt, jedoch mit anderer Herstellungsmethode, erzielte Huawei mit seinen Geräten im letzten Jahr. Ein Beispiel dafür ist das Mate 10 Pro (Testbericht) .
Das HTC U12+ gibt es in den drei Farben Schwarz, Rot und Blau. Beim Letzteren ist ein Teil der Rückseite transparent. So ist das Innere des Telefons sichtbar. Diesen Stil verwendete der Hersteller schon beim Vorgänger, dem HTC U11+ (Testbericht) . Einen Nachteil hat die Verarbeitung aus Glas dann doch: Fingerabdrücke. Besonders bei der schwarzen Farbausführung sind sie deutlich sichtbar.
Mit einem Gewicht von 185 g und einer Tiefe von 9,7 mm ist das U12+ nicht das dünnste und leichteste Smartphone der Oberklasse. Es ist 24 Prozent dicker als das vergleichbare P20 Pro von Huawei (Testbericht) , gleichzeitig hat sein Akku eine um 500 mAh niedrigere Kapazität. Nichtsdestotrotz liegt das Smartphone gut und sicher in der Hand, das ist zurückzuführen auf den schlanken 18:9-Formfaktor mit dünnem Rahmen.
Das gemäß IP68 staub- und wasserfeste Gehäuse des HTC U12+ ist im unteren Bereich druckempfindlich. Es erkennt die drei Berührungs- und Druckgesten Halten, Klopfen und Quetschen. So lässt sich beispielsweise mit einem kurzen Drücken der intelligente Assistant starten; alternativ öffnet sich die Kamera-App und schießt sofort ein Foto. Durch das Klopfen mit einem Daumen links oder rechts verkleinert sich der Bildschirm für die Benutzung mit einer Hand. Hilfreich ist auch die Bedienerfläche Edge Launcher mit Kontakten, Apps und Schnellzugriffen, die zum Vorschein kommt. Als äußerst nützlich zeigt sich die intelligente Rotationssperre des Bildschirms: Sie erkennt, wie der Nutzer das Smartphone hält, und dreht sich situativ nicht mit – zum Beispiel beim Liegen.
Das U12+ ist das erste Smartphone, das komplett ohne mechanische Tasten auskommt. Es gäbe weniger Verschleiß, außerdem wäre das Smartphone dichter, gaben Mitarbeiter von HTC als Grund an. Die auf der rechten Seite angebrachten Knöpfe sind berührungs- statt druckempfindlich. Ähnlich wie bei den iPhones lösen sie ein haptisches Feedback über den Vibrationsmotor aus. Doch leider spricht dieser die Wahrnehmung nicht direkt an, da die Vibration vom anderen Ende des Smartphones kommt. Hier muss HTC noch nachlernen, damit die Akzeptanz steigt.
Im U12+ arbeitet ein Qualcomm Snapdragon 845 mit einer Taktfrequenz zwischen 576 und 2803 MHz. Dem Achtkern-Prozessor stehen 6 GByte RAM zur Verfügung. Das ist reichlich für das Zwischenspeichern von Apps und Daten. Die Leistung des Smartphones ist beträchtlich. In nahezu allen Situationen schneidet es exzellent ab und sichert sich damit die vordersten Plätze. Im Benchmark von Antutu erzielt es 268.000 Punkte. Damit ist es Stand heute nach dem Sony Xperia XZ2 (Testbericht) mit 275.000 Punkten das zweitschnellste Smartphone. Gegenüber dem Galaxy S9 Plus von Samsung (Testbericht) ist das HTC U12+ rund 8 Prozent schneller; 29 Prozent sind es im Vergleich zum Huawei P20 Pro.
In dem 15 Minuten langen Stresstest von Antutu reagiert das HTC U12+ stark volatil. Schon nach wenigen Sekunden Prozessorlast fällt die Leistung auf 60 Prozent. Der Extremwert von 48 Prozent der abrufbaren Leistung ist nach 2:37 Minuten erreicht. Während des Tests stieg die Temperatur des Akkus in einer für Flaggschiff-Smartphones gewöhnlichen Höhe: von 24 auf 43 Grad Celsius. Die Belastung hat dem HTC U12+ 14 Prozent Akkukapazität gekostet. Ist die Last nicht mehr extrem, fängt sich das System schnell wieder ein. Der Trendkanal zeigt jedoch eine nach unten verlaufende Volatilität; die Ausschläge werden also niedriger.
Im synthetischen VRMark-Benchmark stellt das HTC U12+ im Amber Room Peak Modus sein Können erneut unter Beweis. Mit einem Wert von 4684 Punkten ist es rund 56 Prozent schneller als das Huawei P20.
Der interne Speicher des U12+ ist 64 GByte groß. Dem Nutzer stehen hiervon 43,74 GByte zur Verfügung. Bei Bedarf lässt sich eine Speicherkarte einsetzen, die den Speicher um theoretisch bis zu 2 TByte erweitern. Eine im Test verwendete Micro-SDXC mit 400 GByte wurde einwandfrei erkannt. Welche Speicherkarte die beste für Android ist, haben wir ausführlich getestet: Kaufberatung & Test: Welche Micro-SD-Karte für Android?
Im HTC U12+ sitzt ein Akku mit einer Nennladung von 3500 mAh. Bei einer gewöhnlichen Nutzung reicht eine Ladung für knapp einen ganzen Tag. Bei voller Display-Helligkeit und einem Videostream über das WLAN erreicht das U12+ eine mäßige Laufzeit von fünf Stunden und 50 Minuten. Im gleichen Testverfahren schneidet das P20 Pro mit 13 Stunden und 22 Minuten deutlich besser ab. Das VR-Vergnügen mit voller Systemleistung hält eine Stunde und 53 Minuten an.
Das Display des HTC U12+ hat eine Größe von 6 Zoll und löst 2880 × 1440 Pixel auf. Im Vergleich zu anderen Herstellern wie Apple, Huawei oder LG, setzt HTC nicht auf eine Anzeige mit abgerundeten Ecken und einer Einkerbung in oberen Mitte. Stattdessen will man sich und seiner Designsprache treu bleiben. Die Resonanz bei Nutzern auf sozialen Netzwerken oder in Foren ist positiv.
Beim U12+ kommt ein Flüssigkristall-Bildschirm (IPS-LCD) mit hervorragender Farbwiedergabe zum Einsatz. Die Weiß- und Schwarzwerte sind tadellos und auch die Blickwinkelabhängigkeit ist großzügig. Allerdings ist die Helligkeit gering. Im Labor mehrfach gemessen, zeigt das Messinstrument eine Lichtstärke von nur 282 Candela pro Quadratmeter an. Der Durchschnitt bei Top-Smartphones liegt um und bei 670 cd/m2 .
Das U12+ verfügt über ein Always-on-Display (AoD), das Statusinformationen wie Uhrzeit, Datum und Termine oder erhaltene Benachrichtigungen einblendet. Die Funktion kostet über den Tag etwa 4,6 Prozent des Akkus.
Das stärkste Kaufargument des HTC U12+ ist die Kamera. Das Telefon punktet sowohl mit seiner Hardware als auch mit seiner fein abgestimmten Software. Wer viel drauf gibt: Laut dem französischen Fotospezialisten DxO hat das neue HTC-Smartphone die beste Dual-Kamera derzeit auf den Markt. Wir kommen zum gleichen Ergebnis.
Das Smartphone verfügt über insgesamt vier Kameras: 12 Megapixel mit f/1,75 und 16 Megapixel mit f/2,6 hinten sowie zwei mal 8 Megapixel mit f/2 vorne. Die Auflösung der fertigen Fotos aus der Hauptkamera beträgt 12,2 Megapixel im Format 4:3.
Durch die unterschiedlichen Brennweiten und Auflösungen vergrößert das Smartphone ein Fotomotiv um den zweifachen Faktor, ohne dass darunter die Qualität leidet. Das P20 Pro punktet sogar mit einem dreifachen optischen Zoom. Beide Kamerasysteme des HTC U12+ beherrschen den Schärfentiefe-Effekt. Vordergrund und Hintergrund unterscheidet die Kamera gut und sauber voneinander. Die Fehlerrate ist geringer als bei anderen Smartphones.
Die Kamera im U12+ ist um 15 Prozent lichtempfindlicher als die Kamera des Vorgängers. Außerdem weist sie eine bessere Dynamik auf und unterstützt HDR-Boost, Googles Foto-Algorithmus für Multiframe-Rauschunterdrückung . Dadurch gewinnen Bilder an natürlicher Helligkeit. Was bei der Kamera besonders stark hervorsticht, ist der schnelle Autofokus. Motive stellt die Kamera zügig und mit weichem Übergang scharf dar.
Testbilder
Bei Videoaufnahmen mit 240 Bildern pro Sekunde oder im Format 4K UHD mit 60 fps greifen der optische (OIS) als auch der elektronische Bildstabilisator (EIS) ein, um das Bild ruhig zuhalten.
Die Hauptkamera des U12+ zeichnet schöne, scharfe, warm abgestimmte Bilder auf. Der große Bildsensor mit Pixeln von einer Kantenlänge von 1,4 µm verhält sich auch bei wenig Licht souverän. Die Rauschunterdrückung ist gut.
Das U12+ läuft mit Android in der Version 8.0 Oreo. Warum der Hersteller das Smartphone nicht gleich mit dem aktuelleren 8.1 Oreo ausliefert, ist unklar. Der Sicherheits-Patch ist vom 1. März 2018 – damit nicht mehr ganz so aktuell. Project Treble ist übrigens dabei.
Auf das Telefon bügelt der Hersteller seine eigene Oberfläche HTC Sense . Mittlerweile scheint auch HTC seine Software zu vernachlässigen und setzt keine neuen Akzente mehr, wie bis vor etwa 3 bis 4 Jahren. Ab Werk ist die Software frei von Bloatware (ausgenommen Facebook, Instagram und Facebook Messenger), obwohl der Nutzer bei dem Erststart die Wahl für die Installation von Spielen, Tools & Co. von Drittanbietern hat.
Allerdings ist die Oberfläche inkonsistent, beispielsweise bei der Sortierung der Applikationen in den Ordern. So befinden sich Google Mail, Google Maps in einem Google spezifischen Ordner, aber Google Drive und Google Notizen finden sich unter Kreativität.
Darüber hinaus existiert noch der HTC Blinkfeed , eine spezielle Ansicht für aktuelle Themen rund um die Welt. Nachrichten und wichtige Meldungen sind dort weniger vorzufinden. Hauptsächlich ist es Werbung und bunte Presse mit Klatsch & Tratsch. Schade, dass sich HTC mit dieser Querfinanzierung die Nutzererfahrung kaputt macht und seine Reputation riskiert.
Das HTC U12+ hat eine Daseinsberechtigung. Es ist schlicht eines der besten Kamera-Smartphones überhaupt. Zu den Stärken zählen die Multimedia-Funktion sowie die hohe Verarbeitungsqualität. Außerdem ist das berührungsempfindliche Gehäuse eine praktische Sache im Alltag und das hochwertige Headset mit Geräuschunterdrückung ein zusätzliches Kaufargument.
Schwach auf der Brust ist das Telefon mit seiner geringen Display-Helligkeit sowie der schwachen Akkulaufzeit. Vergleichbare Smartphones wie das Oneplus 6 (Testbericht) oder Huawei P20 Pro haben diese Defizite nicht.